Sind BC-Strategien aus der Zeit gefallen?

Warum ein Bottom-up Ansatz die Notfallplanung effizienter machen kann

BC-Strategien, also Business Continuity- oder Notfallstrategien, legen weitreichende Entscheidungen darüber fest, wie eine Institution in einer Notsituation grundsätzlich entscheiden möchte. Sie definieren keine konkreten Pläne oder Handlungsabläufe. Vielmehr sollen Sie dem oder der BC-Managerin eine Richtschnur für die Notfallplanung geben oder, wie der BSI Standard 200-4 des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik sagt:

„Mithilfe von BC-Strategien muss die Institutionsleitung für den gesamten Geltungsbereich des BCMS strategisch festlegen, wie sie die BC-Planung der zeitkritischen Ressourcen und Geschäftsprozesse gestalten und umsetzen lassen möchte.“ (S. 210)

Soweit die Theorie – strategisch, durchdacht, mit einem klaren Führungsauftrag. In der Praxis jedoch zeigt sich immer wieder: Die Ausarbeitung klassischer BC-Strategien kostet Zeit und bringt oft erstaunlich wenig.

Strategie auf Hochglanz – aber was kommt wirklich an?

Mit viel Engagement werden BC-Strategien konzipiert, diskutiert, bewertet und in Präsentationen gegossen. Das Ergebnis klingt vertraut:

  • Gebäudeausfall? → Homeoffice oder Ausweichstandort!
  • Personalausfall? → Interne Vertretungsregelungen oder Dienstleister!
  • IT-Ausfall? → Redundanz und manuelle Workarounds!
  • Dienstleisterausfall? → Alternativer Anbieter oder im Extremfall: Aufkaufen!

Klingt logisch. Ist es auch. Aber das meiste davon liegt auf der Hand und bleibt auf hoher Flugebene – nichts, was aufwendig entwickelt werden müsste.

In den Fachbereichen folgt dann die Realität:

„Das funktioniert bei uns so nicht. Wir brauchen eine andere Lösung. Wir haben eine Mischsituation. Bei uns ist das komplexer.“ Warum also bereits vor der Notfallplanung viel Energie in generische Strategien stecken, ohne die eigentlichen Bedarfe der Bereiche zu kennen?

Wir stellen die klassischen BC-Strategien daher hintenan. Die Bereiche werden zunächst selbst in der Notfallplanung kreativ und diskutieren, was mit den bestehenden Mitteln gegebenenfalls schon alles möglich ist. Werden diese Ideen dokumentiert, entsteht automatisch Bottom-up ein Ideenpool mit tatsächlich umsetzbaren Notfalllösungen. Kreative Ideen können zudem von den Fachbereichen im Werkzeugkasten ergänzt werden. Die Bereiche tauschen sich über den Pool aus und erkennen, was bei anderen Bereichen möglich ist.

Auf Wunsch kann die Kreativität auch angeregt werden, indem ein Werkzeugkasten vorab erstellt wird, der die verschiedensten Möglichkeiten im Sinne eines ersten Ideenpools auflistet. Dieser kann dann als Impulsgeber von den Fachbereichen verwendet werden.

Die daraus hervorgehenden Ergebnisse in der Notfallplanung sind vollständig individuell, aber viel konkreter an die tatsächlichen Bedarfe der Bereiche angepasst. Ein Bereich mit vielen gleichartigen Tätigkeiten nutzt zum Beispiel ein gutes Stellvertreterkonzept. Ein Bereich mit überwiegend standardisierten Tätigkeiten hingegen bindet einen Dienstleister in seine Notfallplanung ein. Und ein Bereich mit vielen Wissensmonopolen baut einen präventiven Wissenstransfer auf und dokumentiert das Spezialwissen. 

Erst, wenn deutlich wird, dass bestimmte Maßnahmen aufwendige Vorbereitungen erfordern oder über die alltägliche Organisation hinausgehen, ist es sinnvoll, gezielt über konkrete BC-Lösungen zu sprechen – dann auch gerne mit strategischer Entscheidung, Freigabe durch die Institutionsleitung und Hochglanzfolien. Diese echten BC-Lösungen sind tiefgreifend. Sie verbessern die Notfallfähigkeit grundlegend oder reduzieren erhebliche Risiken. Dies betrifft bspw. die Entscheidung über umfangreichere Redundanzkonzepte in der IT, den Wechsel in die Cloud, die Aufteilung von Produktionsstandorten, das Abgeben kritischer und risikobehafteter Prozesse an Dienstleister. 

Diese Maßnahmen sind jedoch so individuell, dass die klassischen groben BC-Strategien ihnen ohnehin nicht gerecht werden würden.

 

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