Zur Bewältigung von Krisen und existenzbedrohenden Ereignissen ist der Krisenstab ein elementarer Baustein der Bewältigungsorganisation einer Institution. Die modernen Bedrohungsszenarien führen dazu, dass es keine Frage mehr ist „ob“, sondern „wann“ der Krisenstab einer Institution zusammenkommen muss, um eine Krise abzuwenden oder zu bewältigen. Dabei muss nicht direkt die eigene Institution betroffen sein, auch eine Krise bei einem Dienstleister oder Partner kann vergleichbare Auswirkungen.
Die „alte“ Annahme, dass Krisenstäbe dabei immer vor Ort zusammenkommen, ist spätestens seit der Pandemie nicht mehr zeitgemäß und viele Institutionen mussten lernen, die Chancen eines remote zusammenarbeitenden Stabes zu nutzen. Die Zusammenkunft vor Ort wird jedoch weiterhin von vielen geschätzt und praktiziert. Auch hybride Formen mit Teilnehmenden vor Ort und remote zugeschaltet, sind mittlerweile weit verbreitet. Alle drei Zusammenarbeitsformen bringen unterschiedliche Chancen und Herausforderungen mit sich und nicht selten hängt eine „Wahl“ der Zusammenarbeit von der Art des Schadensereignisses ab. Deshalb kann es sinnvoll sein, dass sich Institutionen mit allen drei Formen der Zusammenarbeit befassen bzw. diese vorbereiten. Ist beispielsweise nach einem Cyberangriff die gesamte digitale Kommunikationsinfrastruktur kompromittiert, kann eine Zusammenkunft vor Ort die einzige Möglichkeit sein. Stehen nach einem schweren Brand sämtliche Büroräume nicht mehr zur Verfügung, kann eine Remote-Zusammenkunft erforderlich werden.
Die gute Nachricht: Das Wichtigste für eine erfolgreiche Krisenstabsarbeit lässt sich im Gegensatz zum Schadensereignis planen und vorher üben. Für die Vorbereitung ist es wichtig, dass die Chancen und Herausforderungen der jeweiligen Zusammenarbeitsformen bekannt sind, um diese bestmöglich auswählen oder nutzen zu können. In der folgenden Tabelle werden typische, nach Zusammenarbeitsmodell klassifizierte spezifische Chancen und Herausforderungen aufgezeigt, die wir durch Kriseneinsätze und Krisenstabsübungen identifiziert haben.
Zusammenarbeit vor Ort
Chancen | Herausforderungen |
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Zusammenarbeit remote
Chancen | Herausforderungen |
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Zusammenarbeit hybrid
Chancen | Herausforderungen |
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Fazit
Betrachtet man die verschiedenen Formen der möglichen Zusammenarbeit aus neutraler Perspektive, so liegt die Vermutung nahe, dass das hybride Modell die sinnvollste Form der Zusammenarbeit ist, denn es bietet die Vereinigung aller Chancen der Remote- und Vor-Ort-Zusammenarbeit. Es ist jedoch wichtig, auch die damit einhergehenden Herausforderungen sowie die durch die örtliche Disparität und den Medienbruch entstehenden neuen Herausforderungen mitzubetrachten. So beobachten wir immer wieder Komplikationen bei der Einbindung der Remote Zugeschalteten sowie bei der Kommunikation.
Es ist nicht unsere Absicht, in diesem Artikel eine grundlegende Empfehlung auszusprechen. Vielmehr raten wir dazu, dass jede Institution für sich bewertet, welche Option die meisten Chancen mit sich bringt und welche institutionsspezifischen Herausforderungen damit entstehen. Sehr wichtig dabei ist beispielsweise auch zu betrachten, in welcher Form die Institution im Normalbetrieb zusammenarbeitet. Es soll auch nicht der Eindruck entstehen, dass man die Zusammenarbeitsmodelle strikt separat betrachten muss. Aufgrund verschiedener Szenarien, der Chancen und eines Redundanzgedankens ergibt es Sinn, immer alle Formen zu betrachten und vorzubereiten. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, in der Eskalationsphase remote zu beginnen und dann zu entscheiden, ob man vor Ort zusammenkommt. Teilnehmende mit längeren Anfahrtswegen könnten sich zum Beispiel auf dem Weg digital zuschalten. Es ist daher durchaus realistisch, dass alle drei Zusammenarbeitsmodelle im Laufe der Bewältigung einer Situation durchlaufen werden.
Am Ende ist aus unserer Sicht am wichtigsten an der ganzen Betrachtung, ein generelles Vorgehen abzustimmen und sich im Krisenfall nicht auf Neuland zu bewegen. Es sollte in der Vorbereitung entschieden werden, welche Zusammenarbeitsform(en) man entsprechend der institutionellen Anforderungen priorisiert. Dann ist nachfolgend nicht die Form der Zusammenarbeit entscheidend, sondern dass die gewählte Form richtig vorbereitet ist. Das bedeutet, dass die organisatorischen und technischen Anforderungen gegeben sind und dass die Zusammenarbeitsform ausgiebig trainiert wird, denn erlauben Sie uns als abschließende Worte das allzeitgeltende Sprichwort: Übung macht den Meister, nicht die Zusammenarbeitsform.
Henrik Schütte & Dominik Seidel