AgileNews "Volle Fahrt in alle Richtungen", Teil 8

Volle Fahrt in alle Richtungen

Manche Organisationen scheinen sowohl Effektivität als auch Effizienz gepachtet zu haben. Ein Produkt oder Feature nach dem anderen wird auf den Markt gebracht, während die Wettbewerber noch versuchen den vorvorletzten Erfolg nachzubauen. Allgemein stellt sich daher die Frage, warum es manchen Organisationen gelingt ihre Ressourcen wirksam einzusetzen, während andere Organisationen selbst mit (viel) mehr Kapazitäten und Fachkenntnissen nicht vom Fleck kommen.

Meist fehlt es nicht an dem Wissen, was man tun oder umsetzen sollte, um Wirksamkeit am Markt zu erzeugen. Die Organisation hat gute Ideen, weiß vor welchen Herausforderungen ihre (potentiellen) Kunden stehen und auch was die aktuelle technologische Entwicklung für die eigenen Produkte bedeutet. Ohne die Fähigkeit dieses Wissen herausfiltern zu können, also die relevanten von den irrelevanten Maßnahmen zu unterscheiden, tendieren Organisationen dazu in einem Zustand der Omnifokussierung zu verharren.

In diesem Artikel wird es allerdings nicht um diese Filterfähigkeiten gehen, sondern wie Organisationen den Zustand der Omnifokussierung unabhängig davon auflösen können. Denn die konsequente Ausrichtung auf eine einmal getroffene Entscheidung ermöglicht es Organisationen schnell festzustellen, ob eine richtige oder falsche Entscheidung getroffen wurde, daraus zu lernen und entsprechend darauf zu reagieren.

Was ist Omnifokussierung und warum ist dies nicht erstrebenswert?


Der Zustand der Omnifokussierung kann allgemein damit beschrieben werden, dass zu viele Maßnahmen begonnen, zu viele parallel bearbeitet und zu wenige Maßnahmen tatsächlich abgeschlossen werden. In der Folge werden zwar viele Chancen verfolgt und es wird auch viel gearbeitet, es kommt aber nur wenig im Markt an.

In der Praxis lässt sich die Omnifokussierung an verschiedenen Symptomen diagnostizieren, die die Wirksamkeit der Organisation limitieren:

  • Halbe Kraft – die Organisation als Ganzes verteilt ihre Ressourcen auf zu viel Arbeit: Weil zu viele Maßnahmen parallel bearbeitet werden, hat die Organisation nicht ausreichend Ressourcen, um Maßnahmen so zu besetzen, dass diese so schnell wie möglich abgeschlossen werden können.

  • Flaschenhälse – die Organisation verteilt ihre kritischen Ressourcen auf zu viel Arbeit: Spezifische Ressourcen werden für alle Maßnahmen gebraucht, aber der Takt in dem die Maßnahmen begonnen werden ist nicht auf diese kritischen Ressourcen abgestimmt. Je mehr Maßnahmen durch die Organisation begonnen werden, desto länger müssen einzelne Vorgänge intern auf die Weiterbearbeitung warten und desto länger wird die individuelle Durchlaufzeit bis Maßnahmen abgeschlossen werden können.

  • Hohe Rüstkosten – Kapazitäten gehen verloren je mehr parallel bearbeitet wird: Wechseln Mitarbeitende von einer Maßnahme zur Anderen, müssen sie sich erst wieder einarbeiten. Je öfter Mitarbeitende von einer Maßnahme zur anderen springen müssen, desto größer wird der Anteil dieser „Rüstkosten“ und desto kleiner der Anteil der produktiven Arbeit.

Organisationen die unter diesen Symptomen leiden kommen nicht nur nicht Voran, sondern erschöpft damit auch ihre wertvollste Ressource: engagierte, kreative Mitarbeitende. Es ist kein Zufall, dass das Managementparadigma Ressourcen maximal auszulasten ein Schlüssel dazu ist Omnifokussierung zu verstehen.

Diese Auslastungslogik fordert die rechnerischen Kapazitäten der Mitarbeitenden optimal auszulasten und setzt somit voraus, dass beliebig viele Maßnahmen parallel bearbeitet werden können, solange Mitarbeitende rechnerisch noch freie Kapazitäten haben. Unter Berücksichtigung der Rüstkosten, scheitert es in der Praxis daran, dass Mitarbeitende mit jeder zusätzlichen Maßnahme mehr Zeit dafür aufwenden müssen zwischen den Maßnahmen hin und her zu schalten.

Was die Auslastungslogik weiterhin voraussetzt, ist das die benötigten Ressourcen je Maßnahme so detailliert wir möglich absehbar und planbar sind. Faktisch nimmt der Managementaufwand aber mit einer zunehmenden Zahl an Tätigkeiten und eingebundenen Bereichen exponentiell zu. Und auch die Geschwindigkeit mit der sich Abhängigkeiten und die weiteren Rahmenbedingungen ändern nimmt stetig zu.

Omnifokussierung ist ein Problem, dass lohnt gelöst zu werden. Sowohl mit Blick auf die harten Fakten, die Wirksamkeit am Markt, als auch mit Blick auf „weiche“ Rahmenbedingungen, wie Kultur, Arbeitsklima, Engagement etc., die im Wettbewerb um gute Arbeitskräfte aber immer größere Bedeutung für Organisationen einnehmen.

Was können Organisationen tun um, wirksamer zu werden?

Auf die Erkenntnis, dass die Organisation nicht auf dem Markt wirksam ist, folgt oft die Reaktion noch mehr zu tun. Der Schluss, dass die Organisation nicht genug oder auch nicht die richtigen Dinge tut, liegt nahe. Tatsächlich ist das Problem aber meist, dass eine Organisation zu viel tut bzw. zu viele Dinge gleichzeitig tut. Dadurch macht sie wiederum jeweils (zu) kleine Fortschritte und ist genau deswegen mit keiner der Maßnahmen wirksam.

Ziel ist der organisatorische Fokus, mit dem die gesamte Organisation ihre Kapazitäten konsequent auf ein Ziel ausgerichtet, um schnell Erfahrungen zu sammeln und weitere Entscheidungen auf diesen Erfahrungen aufzubauen. Dafür muss das Werkzeug der Fokussierung auf allen Ebenen der Organisation ansetzen, von der strategischen bis zu den operativen Ebenen.

Und da wir uns in einer volatilen Welt bewegen, in der die Erkenntnisse von heute, morgen schon wieder auf den Prüfstein gestellt werden müssen, ist der organisatorische Fokus kein einmalig zu erreichender Zustand, sondern ein Ideal, das jeden Tag aufs Neue von der gesamten Organisation angestrebt, verteidigt und reflektiert werden muss. Leitmotiv dabei ist: „wenn wir die falschen Entscheidungen treffen, müssen wir das so schnell wie möglich herausfinden um zu reagieren.

Wie kann man in der Praxis ansetzen?

Um organisatorische Fokussierung umzusetzen, gibt es verschiedene Ansatzpunkte, die an verschiedenen Punkten in der Organisation ansetzen. Das kann auf der Entscheidungsebene sein, auf der die Voraussetzungen für konsequentes Handeln der Gesamtorganisation geschaffen werden. Oder auch die Einführung von spezifischen Methoden, die es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Teams erlauben, sich auf der operativen Ebene zu jedem Zeitpunkt auf ihre Arbeit zu konzentrieren.

Auf operativer Ebene ermöglichen agile Arbeitsweisen schnelle Erfolge, da den meisten dieser Arbeitsweisen eine konsequente Limitation von Arbeit zugrunde liegt. So zwingt Scrum zum Beispiel das Team dazu, sich vor dem Sprint auf eine bestimmte Menge Arbeit festzulegen und verhindert während des Sprints, dass weitere Arbeit von außen hinzukommt. Auch die sprachliche Ähnlichkeit zu Lean und Kanban im Speziellen, wie Engpässe und Takt, weisen darauf hin, dass diese Werkzeuge dazu geeignet sind, Transparenz zur Menge an Arbeit im System und in die Wertschöpfungsketten zu bringen. Das wesentliche an diesen Arbeitsweisen ist aber, dass sie die Fokussierung nicht als punktuell zu erreichendes Ergebnis verstehen, sondern als kontinuierlichen Prozess etablieren

Um Omnifokussierung auf Ebene der Gesamtorganisation anzugehen bedarf es übergreifender Lösungen, die diese dezentralen Strukturen zur Fokussierung unterstützen. Insbesondere skalierende agile Frameworks wie SAFe, LeSS, SaS, Nexus etc. setzen sich mit den Fragestellungen auseinander, wie durch die Kombination von agilen Arbeitsweisen auch Gesamtorganisationen kontinuierlich organisatorischen Fokus herstellen können. Konzepte wie Flight Levels und auch OKR bieten leichtgewichtigere Ansätze, um organisatorischen Fokus herzustellen, da sie gezielte Anpassungen im aktuellen Kontext ermöglichen, um auch die Veränderung selbst iterativ und wirkungsorientiert umzusetzen.

Gemein ist den Ansätzen, dass sie in der Regel nicht isoliert umgesetzt werden, da die Veränderungen sowohl Struktur, Governance, Zielsystem als auch die Kultur berührt.

Um Omnifokussierung anzugehen muss nichts neu erfunden werden und es muss auch nicht auf die nächste Strategieklausur gewartet werden. Was hindert uns daran Engpassressourcen zu entlasten? Was hindert uns daran, nur noch die Hälfte der Maßnahmen zu verfolgen und zu beobachten wo die Reise hingeht? Wir können damit jeden Tag und auf jeder Ebene anfangen. Das Motto dabei ist "Entscheiden, Konsequent sein, Lernen, Entscheiden"

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