26.11.2025

BCM in die Cloud weitergedacht – Ein kurzer Überblick

Ein Beitrag von Annika Wendel und Dominik Schmitz

Cloud-Lösungen sind längst fester Bestandteil moderner IT-Landschaften, auch bei kritischen Geschäftsprozessen. Doch was bedeutet das für das Business Continuity Management (BCM) sowie das IT Service Continuity Management (ITSCM)? Eröffnet „die Cloud“ tatsächlich neue Möglichkeit für die Ausfallsicherheit, oder entstehen ganz neue Risiken? Wir geben einen ersten Überblick, worauf Sie im Hinblick auf BCM achten sollten, wenn Services, Daten und Prozesse in die Cloud verlagert werden oder bereits dort gespeichert sind.

Neue Verantwortungen für Unternehmen

Cloud-Services versprechen nahezu unendliche Verfügbarkeit, Flexibilität und eine höhere Resilienz. Hochverfügbarkeit, geografisch verteilte Rechenzentren, automatische Redundanz, das klingt nach perfekten Voraussetzungen fürs Business Continuity Management. Doch fürs BCM bedeutet das keineswegs „Zurücklehnen und Entspannen“. Die Verlagerung von IT-Services in die Cloud verändert vielmehr grundlegend, wie Verantwortung organisiert und wahrgenommen werden. 

Während On-Prem-Lösungen vollständig im eigenen Verantwortungsbereich liegen, gilt in der Cloud das Shared Responsibility Modell. Für Unternehmen heißt das, die Cloud-Anbietende übernehmen zwar die technische Absicherung der Infrastruktur, doch die Grenzen dieser Verantwortung sind nicht immer selbsterklärend. Es stellt sich die zentrale Frage: Wo genau endet die Verantwortung des Providers und wo beginnt die eigene? 

Das Management kritischer Geschäftsprozesse, die Datensicherung auf Applikationseben, das Identity Access Management (IAM) sowie die Konfiguration von Sicherheitspolicies und Back-up-Strategien bleiben weiterhin Aufgabe der Unternehmen. Das Problem: Diese Aufgaben erfordern spezifisches Cloud-Know-how, welches zunächst erst aufgebaut werden muss. 

Die Praxis zeigt, dass beispielsweise ein falsch konfigurierter S3-Speicher schnell dazu führen kann, dass sensible Daten unbeabsichtigt öffentlich zugänglich werden.

 

Verfügbarkeit ist nicht gleich Verfügbarkeit

Hochverfügbarkeit gehört bei Cloud-Anbietenden inzwischen zum Standard und basiert auf den üblichen Verfügbarkeitsoptionen. Dennoch deckt sie damit nicht alle spezifischen Anforderungen ab. Ein 99,5 % Service-Level-Agreement (SLA) bedeutet, dass bis zu 44 Stunden Ausfallszeit im Jahr möglich sind, für manche kritischen Prozesse ist das immer noch zu viel. Die gute Nachricht dabei: Cloud-Architekturen bieten die Flexibilität, höhere Verfügbarkeiten zu erreichen, beispielsweise durch Multi-Region-Deployments, redundante Dienste oder automatisierte Failover-Mechanismen. Die Herausforderung: Diese Mechanismen sind meist keine Standardfunktionen, sondern müssen gezielt konzipiert, implementiert und getestet werden. 

Eine geografisch verteilte Back-up-Strategie ist in der Cloud technisch deutlich einfacher umzusetzen als On-Premises, muss aber dennoch sorgfältig geplant und konfiguriert werden. Auch automatisierte Failover-Mechanismen können Ausfälle schnell kompensieren, funktionieren aber nur, wenn sie richtig aufgesetzt und regelmäßig validiert werden.

 

Die richtigen Fragen proaktiv klären

Das Shared Responsibility Modell und die Verfügbarkeitsanforderungen bilden die Basis – doch für ein wirksames Cloud-BCM müssen Unternehmen konkrete Notfallszenarien durchdenken. Folgende Beispielfragen gehören in jede BCM- und ITSCM-Planung:

  • Datenzugriff: Wie kommen wir an unsere Daten, wenn der Cloud-Anbieter seinen Dienst einschränkt?
  • Kommunikation: Wie funktioniert unsere Notfallkommunikation, wenn Cloud-Tools (Teams, E-Mail) ausfallen?
  • Abhängigkeiten: Welche Geschäftsprozesse hängen von welchen Cloud-Services ab – und welche sind Single Points of Failure?
  • Zuständigkeiten: Wer ist im Notfall verantwortlich, und wie erreichen wir den Support-Service außerhalb der Geschäftszeiten?
  • Compliance: Wo liegen unsere Daten physisch, und was bedeutet das bei geopolitischen Risiken?

Die gute Nachricht: Diese Fragen haben Antworten, wenn man sie rechtzeitig und gezielt stellt. Cloud-Anbietende liefern heute detaillierte SLAs, Disaster-Recovery-as-a-Service und Multi-Cloud-Optionen. Entscheidend ist, diese Werkzeuge aktiv zu nutzen und Notfallszenarien regelmäßig zu testen. Denn Standardlösungen reichen auch in der Cloud selten für alle kritischen Anforderungen aus.

Automatisierung als Chance im BCM

Wenn im Voraus die zentralen Fragen geklärt wurden, bietet die Cloud nicht nur Herausforderungen, sondern auch bessere Werkzeuge, um damit umzugehen. Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil der Cloud-Technologie liegt in ihrem hohen Automatisierungsgrad. Im Vergleich zu traditionellen IT-Umgebungen lassen sich kritische Prozesse zur Sicherstellung der Geschäftskontinuität in der Cloud wesentlich effizienter, flexibler und zuverlässiger umsetzen.

Automatisierte Backups eliminieren die manuellen Risiken und verbessern den Recovery Point of Objective (RPO). Automatische Skalierung verhindert Überlastungen bei unerwarteten Lastspitzen. Automatisierte Failover-Mechanismen reduzieren die Wiederherstellungszeit (RTO) erheblich, indem Notfallsysteme bei Ausfällen automatisch in anderen Regionen hochgefahren werden. Um nur einen kurzen Überblick über die Automatisierungsmöglichkeiten zu geben. 

 

Notfalltests ohne Produktionsrisiko

Besonders wertvoll für das BCM ist die Möglichkeit, Notfalltests zu automatisieren. Diese Tests waren in der Vergangenheit oft zeitintensiv und erforderten komplexe manuelle Eingriffe, die den laufenden Betrieb potenziell gefährden konnten. Heute lassen sich isolierte Testumgebungen per Knopfdruck bereitstellen, Wiederherstellungsszenarien simulieren und automatisch dokumentieren, ohne Risiko für den Produktivbetrieb.

Diese Automatisierung erhöht nicht nur die Effizienz, sondern stellt auch sicher, dass die Notfallpläne stets aktuell, funktionsfähig und validiert sind, ohne zusätzliche Risiken für den Produktivbetrieb einzugehen.

Fazit: Cloud als Schlüssel zur effektiven Notfallvorsorge

Die Eingangsfrage, ob “die Cloud” wirkliche eine neue Ära der Ausfallsicherheit einleitet oder vielmehr neue Risiken schafft, lässt sich eindeutig beantworten: Beides stimmt. Cloud eröffnet tatsächlich neue Möglichkeiten der Ausfallsicherheit, aber bringt auch neue Risiken mit sich. 

Der entscheidende Unterschied liegt im aktiven Umgang: Unternehmen dürfen sich nicht auf Standard-Cloud-Services verlassen. Wer das Shared Responsibility Modell versteht, eigene Verantwortlichkeiten klar definiert und Verfügbarkeits-Anforderungen durch angepasste SLA und Konfigurationen sicherstellt, macht “die Cloud” zu einem echten Gewinn für sein BCM. 

Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: Automatisierte Notfallvorsorge, geografisch verteilte Back-ups, schnellere Wiederherstellung und validierte Notfallpläne – ohne dabei den laufenden Betrieb zu stören. Die Cloud stärkt dann nicht nur Flexibilität und Verfügbarkeit, sondern auch die Resilienz und Handlungsfähigkeit im Notfall – ein echter Wettbewerbsvorteil für Ihr Unternehmen.

In einer kommenden Artikelserie gehen wir detaillierter auf die einzelnen Aspekte der Cloud-basierten Notfallplanung ein. Bleiben Sie dran!